Was sich seit der letzten Erbrechtsreform geändert hat

Die Reform im Jahre 2009 war nicht nur eine harmlose Gesetzesänderung, sondern ein großer Eingriff in ein lange praktiziertes Recht, das weit ins letzte Jahrhundert zurückgeht. Zur Klarstellung müssen wir sagen, nicht alles, was seit Jahrzehnten angewendet wurde, muss überarbeitet werden. Um die Änderungen zu bewerten, muss man die Auswirkungen auf den Einzelfall betrachten.

Was für den einen gut ist, ist für den anderen von großem Nachteil.

Ein Beispiel: Die Reform hat die steuerlichen Freibeträge angehoben, die Ehepartnern oder Kindern im Erbfall zustehen würden. Soweit so gut, hätte sich da nicht die Änderung der Bemessungsgrundlage in das neue Recht eingeschlichen. Was also nützt eine Anhebung von Freibeträgen, wenn man schneller in die Steuerpflicht rutscht.

Und hier noch ein Warnhinweis: Die derzeit noch praktizierte Familienheimregelung, die es einzelnen Kindern erlaubt, nach dem Tod der Eltern ins elterliche Haus zu ziehen und, sofern man dann 10 Jahre darin wohnt, steuerfrei davonkommt, passt nur für ganz wenige Familien, denn welche Familie hat nur ein Kind. Ausgleichsansprüche an weitere Kinder vereiteln dieses Vorhaben in den meisten Fällen.

Darüber hinaus ist in den kommenden Jahren mit dem Wegfall dieses Privilegs zu rechnen, da seit langem eine höchstrichterliche Entscheidung zu diesem Thema ansteht. Die Regelung verstößt schlicht und einfach nach dem im Grundgesetz geregelten Gleichheitsgrundsatz: Vermögen und Wohneigentum werden ungleich behandelt.

Änderung auch bei der Verjährung

Die Reform hat aber auch noch weitere Änderungen hervorgebracht. Die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen erfolgt in den meisten Fällen nun schon nach drei Jahren ab Kenntnis. Die einen gewinnen dadurch Rechtssicherheit, andere hingegen verlieren dauerhaft eine Option auf die Durchsetzung von Ansprüchen. Vorher gab es immer wieder Fälle, in denen ein Anspruch eingeklagt wurde, nachdem die Anspruchsinhaber das für einen Gerichtsprozess erforderliche Geld zusammengespart hatten, was nicht selten mehrere Jahre gedauert hat. Wer heute dazu nicht innerhalb der Frist in der Lage ist, hat dauerhaft das Nachsehen. Sie sehen auch hier, dass es bei der Bewertung der Reform stets auf den Standpunkt ankommt.

Pflichtteilsansprüche bei Schenkungen

Schenkungen zu Lebzeiten führen für Pflichtteilsberechtigte nach dem neuen Recht nicht mehr zum sofortigen Wegfall des Anspruchs, sondern man wendet jetzt ein sog. Abschmelzungsverfahren an, bei dem der Pflichtteilsanspruch in einen Pflichtteilsergänzungsanspruch umgewandelt bzw. ergänzt wird, der sich jedes Jahr um 10 Prozent verringert. Das erste Jahr zählt hier nicht mit. Nach 11 Jahren gibt es bei Schenkungen nur noch selten die Möglichkeit, Ansprüche an der geschenkten Sache anzumelden und durchzusetzen.

Wir haben hier die Grundsätze des neuen Rechts kurz zusammengefasst. Der Gesetzestext ist das eine und dient nur dem Grundverständnis, aber die Gerichte haben in den nachfolgenden Jahren diese Reform erst mit Urteilen ausgekleidet. Dieser Prozess ist noch immer im Gange. Hinzu kommen einige Modifizierungen aus der Gesetzgebung des Steuerrechts, die auch im Erbrecht Auswirkungen haben. Es bleibt also spannend.